Daran scheiterte der «Special One»
José Mourinho ist ein ewiger Provokateur. Und ein sehr erfolgreicher Trainer. Beim englischen Rekordmeister wird ihm auch sein Superstar zum Verhängnis.
Es ist noch nicht lange her, Anfang Oktober, um genau zu sein, da lächelte José Mourinho die Frage weg. Er gab sie sogar weiter an denjenigen Journalisten, der das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, Zinédine Zidane werde demnächst Mourinhos Job übernehmen. Nun ist der Portugiese tatsächlich nicht mehr Trainer von Manchester United, am Dienstagvormittag wurde er entlassen. Und die Gerüchte um Zidane sind aktueller denn je. Englische Medien handeln allerdings auch Laurent Blanc als möglichen Mourinho-Nachfolger. Auch er ist Franzose, verteidigte einst für United und wurde zusammen mit Zidane 1998 Weltmeister.
In einem kurzen Statement dankt der englische Rekordmeister seinem geschassten Coach für die Zusammenarbeit und wünscht ihm alles Gute. Nach der bislang schwachen Premier-League-Saison mit nur 26 Punkten aus 17 Spielen und der Tatsache, dass eben mit Zidane ein Trainer auf dem Markt ist, der mit Real Madrid dreimal hintereinander in der Champions League triumphierte, kommt der Schritt nicht überraschend. Laut englischen Medienberichten kassiert Mourinho für die Entlassung noch über 30 Millionen Franken Abfindung.
Mit der United gewann Mourinho zwar 2017 die Europa League und im gleichen Jahr den englischen Ligacup. Das ist aber zu wenig für die Ansprüche der Red Devils. Champions League und Meisterschaft, das sind die Titel, nach denen sie im englischen Norden streben. Wieso Mourinho die wichtigsten Wettbewerbe nicht gewinnen konnte, hat mehrere Gründe.
Eine halbe Milliarde
Mourinho kam 2016 und kaufte kräftig ein. Paul Pogba kehrte aus Turin zurück nach England, er war zu diesem Zeitpunkt für über 110 Millionen Franken der teuerste Spieler auf dem Planeten. Ein Jahr später holte Mourinho Romelu Lukaku, einen Stürmer, den er bei Chelsea einst nicht mehr wollte und der sich in ähnlichen Preissegmenten wie Pogba bewegt. Rund 550 Millionen Franken gab Mourinho in drei Sommern aus.
Eine Einheit ist Manchester United unter ihm aber nie geworden. An keinem anderen Beispiel zeigt sich das besser als an jenem von Paul Pogba. Der Franzose ist in der Nationalmannschaft der Leader, der er so gerne sein will. Er hielt während der WM Kabinenansprachen und hatte wesentlichen Anteil am Weltmeistertitel.
In Manchester aber, da lief es dem Exzentriker und Showman nicht so . Da fehlte ihm mit N'Golo Kanté ein Spieler, der ihm wie im Nationalteam den Rücken freihielt und die Schwerarbeit erledigte. Pogba geriet zwischen Stuhl und Bank oder: zwischen Sechser und Zehner. Defensiv zu schwach, um den Abräumer à la Kanté zu spielen, offensiv aber auch kein Ballverteiler, wie es zum Beispiel ein Kevin De Bruyne beim Stadtrivalen Manchester City ist.
Die United litt in den vergangenen Monaten unter den Leistungen von Pogba. Und sie litt unter dem Zerwürfnis zwischen Startrainer und Starspieler. Mourinho zerstritt sich mit Pogba. Er setze ihn vor versammelter Mannschaft als Vizecaptain ab, englische Medien waren sich schon da sicher: Einer der beiden muss gehen.
Unmittelbar nach Mourinhos Entlassung teilte Pogba dieses Bild auf Instagram. Er löschte es kurz darauf.
Weniger Qualität, weniger Power
Pogba war ein Problem für Mourinho. Ein anderes ist seine Mannschaft, die dem Stadtrivalen Manchester City qualitativ nicht das Wasser reichen kann. Die Gegner nicht mit Offensivpower überrollen kann, wie es Liverpool derzeit tut. Mourinho hat Talente in seinem Kader, Jesse Lingard mit seinem feinen rechten Fuss oder der schnelle Marcus Rashford sind zwei davon. Und er hat mit David de Gea einen Goalie, der an guten Tagen so ziemlich alles hält, was auf sein Tor zukommt. Die Mannschaft hat aber auch ihre Schwächen.
Die Flügelzange der United besteht meist aus Ashley Young und Antonio Valencia. Zwei schnelle Aussenläufer, die oft als Aussenverteidiger funktionieren müssen, weil Luke Shaw ständig verletzt ist und sich Matteo Darmian auch nach zwei Jahren in England noch nicht so richtig wohlzufühlen scheint. Die Folge: Das Offensivspiel kommt häufig gar nicht bis zu Vollstrecker Lukaku. Sechs Tore in 16 Spielen sind eine magere Bilanz für den belgischen Stürmer.
Er legte sich mit allen an
Mourinhos Fussball, eher defensiv orientiert, ist nicht tot. Das zeigte Russland an der Weltmeisterschaft, als es das ballbesitzstarke Spanien ausschaltete. Mourinhos Fussball führte auch immer wieder zum Erfolg. Der Champions-League-Titel mit Porto 2004? Sensationell. Das Triple mit Inter Mailand 2010? Spektakulär.
Eines von Mourinhos Erfolgsrezepten war dabei stets die Provokation. In seinen erfolgreichsten Tagen stellte er sich gekonnt vor seine Mannschaft. Indem er provozierte und austeilte, in dem er ablenkte und so Druck von seinen Spielern nahm. In seinen erfolgreichsten Tagen hatte er enge Verbindungen mit seinen Schlüsselspielern. Bei Porto und Chelsea vor allem. Aber auch in Mailand.
Der exzentrische Portugiese leistete sich bereits mehrere Aussetzer am Spielfeldrand. (Video: AFP, Storyful, Youtube)
Acht Meistertitel hat der 55-jährige gewonnen mit Porto, Chelsea, Inter und Real. Zweimal gewann er die Champions League. Zweimal Uefa Cup/Europa League. 20 grössere Titel sind es insgesamt. Er war lange wirklich der «Special One», wie er sich mit seiner berühmt gewordenen Selbsteinschätzung bei Chelsea vorgestellt hat.
Die Kompromisslosigkeit war immer Teil seines Erfolges. Seine besten Zeiten sind aber ein Weilchen her. 16 seiner grossen Titel gewann Mourinho zwischen 2003 und 2012. Seit 2012 sind nur noch vier dazu gekommen. Seine Kompromisslosigkeit ist ihm in den vergangenen Jahren eben auch zum Verhängnis geworden. Er hat sich auch bei sportlichem Misserfolg weiterhin mit allen angelegt - mit Fans, mit Journalisten, mit anderen Trainern, mit Spielern, mit Vorgesetzten. Er hat seine Spielchen immer weiter auf die Spitze getrieben. Und das hat nach Real Madrid (2013) und Chelsea (2015) nun auch bei Manchester United zur Trennung im Unfrieden geführt.
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