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Folgen der Krise
Corona vermiest Schweizern die Lust auf Kaugummi

Kaugummi ist während der Corona-Krise weniger gefragt.
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Das weitgehende Verschwinden des Kaugummis aus dem Leben vieler Menschen ist noch nicht hinreichend betrauert worden. Dabei hat die Corona-Pandemie den Kaugummi mindestens so kalt erwischt wie die Gastronomie, die Airlines oder die Reiseindustrie.

«Dem Kaugummi wurde zu Beginn der Krise ein Rückgang von zehn Prozent prophezeit», sagt Bastian Hörmann, leitender Produktmanager des Nahrungsmittelkonzerns Archer Daniels Midland in Deutschland, «jetzt liegt der Rückgang bei 28 Prozent.» Das zeigten zum Beispiel Zahlen des Marktforschers Nielsen.

In der Schweiz stellen die grossen Detailhändler diesen Trend ebenfalls fest. So berichten Coop, Migros und die Kioskbetreiberin Valora von sinkenden Verkäufen von Kaugummi. Auf immerhin 9 Prozent beziffert ein Migros-Sprecher den Rückgang des Schweizer Marktes.

Umsatztreiber Kassenzone

Ein Valora-Sprecher nennt die Gründe: «Das hängt mit dem generellen Frequenzeinbruch an den Verkaufsstellen zusammen, aber auch damit, dass viele Kunden an Hochfrequenzlagen Masken tragen.»

Aus Konkurrenzgründen machen die Anbieter keine Angaben zum Geschäftsgang von einzelnen Produkten. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass der Kaugummi von Impulskäufen und der Kassenzone lebt. Gemäss der Migros trägt das Produkt in ihren Läden 45 Prozent zum Umsatz im Kassenbereich bei. Dabei seien die Artikel in der Kassenzone stärker vom sich verändernden Kundenverhalten betroffen als die Mehrfachpackungen im Standardregal.

Welche Bedeutung die Kassenzone in Supermärkten, Drogerien oder Tankstellen für die Hersteller von Süsswaren und speziell Kaugummis hat, erklärte das Fachblatt «Lebensmittelzeitung» einmal so: «Für sie steht die Kassenzone mit 1 Prozent an Fläche im Schnitt für 4,8 Prozent Umsatz und 5,4 Prozent Ertrag. Sie ist der Ort für höchste Handelsspannen.»

«Der Kunde will hier so schnell wie möglich durch.»

Bastian Hörmann, Produktmanager

Kurzum: Hier wird der Reibach gemacht. Jetzt haben aber nicht nur massentaugliche Artikel wie Nudeln oder hygienisch bedingte Umbauten den Kaugummi verdrängt. Es sind auch «weniger Käufer in den Kassenzonen zu finden», wie Eva Kinnebrock, Senior Business Consultant von Nielsen Deutschland, sagt. Und das liege unter anderem daran, dass «man in der Warteschlange Abstand halten muss».

Produktmanager Hörmann bringt es auf den Punkt: «Der Kunde will hier so schnell wie möglich durch.» Und auch das ist schlecht für den Kaugummi. Nicht zuletzt hat sich der Lebenswandel des Menschen wegen Corona zum Nachteil für den Kaugummi entwickelt.

Wo kaute er ihn früher? «Während der Autofahrt, vor einem Meeting oder einem Date», sagt eine Sprecherin des Marktführers Wrigley. Und heute? «Homeoffice, Social Distancing, keine Meetings und keine Besuche, das alles hat dazu geführt, dass es weniger Anlässe zum Kaugummikauen gab.»

Der Kaugummi ist flexibel

Aber der Kaugummi wäre nicht der Kaugummi, wenn er nicht flexibel wäre. Die Hersteller ändern jetzt seine Rezeptur. «Klassisch werden in die Kaugummimasse Minzöle oder Minzaromen gemischt, um die Frische zu gestalten», sagt Hörmann. «Jetzt kommen neue zusätzliche funktionale Zutaten hinzu: Vitamine, Probiotika und Zutaten, die die Mundgesundheit unterstützen können.»

Die Marken haben die Marktlücke sofort entdeckt und Zahnpflegekaugummis entwickelt, Mondelez etwa einen Oral-B-Kaugummi mit Fluorid.

Die Marken preisen auch das Kauen unter der Maske an, weil der Kaugummi für frischen Atem sorge und gegen Mundtrockenheit helfe. Sie werben wie Wrigley unter anderem in sozialen Medien bei der jüngeren Klientel, um sie zum Kaugummikauen «im Homeoffice für ausgedehnte Calls, für lange Online-Spieleabende oder auch bei Online-Dates» zu erwärmen.

Und auch Alternativen für die teils verloren gegangene Kassenzone werden ersonnen. Es geht jetzt darum, wie es ein Handelsprofi ausdrückt, «neue Begegnungspunkte zwischen Ware und Kunde auf der Fläche zu schaffen und Impulsware verkaufsfördernd im Markt zu verteilen». All das für so einen kleinen Kaugummi.