Kritik an Mitte-TicketWas hinter Blochers Bundesrats-Ambitionen steckt
Alt-Bundesrat Blocher stellt die Zauberformel infrage und bringt sich gleich selbst als künftigen VBS-Chef ins Spiel. Doch selbst bei seiner eigenen Partei blitzt er ab.

- Alt-Bundesrat Christoph Blocher kritisiert die Bundesratswahlen als unwürdiges Karrierespiel.
- Blocher bringt sich selber als Kandidaten ins Spiel.
- Er betont die Notwendigkeit eines fähigen Bundesrats für die Reform der Armee.
- SVP-Vertreter dürften sich dennoch ans offizielle Mitte-Ticket halten.
Der Blick nach Herrliberg ist ein Ritual, das zu den Bundesratswahlen gehört. Jeweils dann, wenn sich das Kandidatenfeld langsam abzeichnet, meldet sich Alt-Bundesrat Christoph Blocher zu Wort.
Der 84-Jährige enttäuscht auch dieses Jahr niemanden. Auf seinem eigenen Kanal «Teleblocher» liess er durchblicken, dass sich das Parlament nicht von der bisherigen Auswahl der beiden Mitte-Kandidaten Markus Ritter und Martin Pfister einschränken lassen solle: «Es ist ein Blödsinn zu sagen: ‹Wenn man ein Zweierticket hat, darf man keinen anderen wählen.›»
Zu alt fürs Albisgüetli, genügend jung fürs VBS
Noch weiter geht er auf Anfrage von CH Media. Dort bringt sich Blocher sogar selbst ins Spiel: «Ich würde die Aufgabe übernehmen.» Blocher fühlt sich also zu alt für die jährliche Albisgüetli-Rede, aber genügend fit, um das Verteidigungsdepartement aufzuräumen.
Was bezweckt er mit solchen Aussagen? Das fragen sich nun viele in Bundesbern. Deuten seine Vorschläge darauf hin, dass hinter den Kulissen an einer wilden Bundesratskandidatur gewerkelt wird? Gespräche mit SVP-Vertretern lassen einen anderen Schluss zu. Der ehemalige Parteipräsident Toni Brunner ist nicht der einzige Fan des St. Galler Biobauern Markus Ritter. Auch jene, die Ritter kritischer sehen, versichern, man habe bis jetzt vor, sich an das Mitte-Ticket zu halten.
Allzu ernst nimmt man Blochers Aussagen in der SVP nicht
In der Volkspartei hat man sich längst an die Zwischenrufe aus Herrliberg gewöhnt. Sie werden nach wie vor nicht öffentlich kritisiert. Aber allzu ernst nimmt man den Partei-Doyen in dieser Frage nicht mehr. Zu häufig hat Blocher in den vergangenen Jahren mit Angriffen auf Bundesratskandidaten auf sich aufmerksam gemacht.
Den glücklosen SP-Aspiranten Daniel Jositsch nannte er zwar einen Opportunisten, allerdings nur, um zu betonen, dass die Bundesversammlung nicht zwingend ans Kandidatinnenticket der SP gebunden sei. Und vergangenes Jahr bezeichnete Blocher das offizielle SP-Kandidatenduo Jans/Pult als «Provokation». In beiden Fällen hielt sich die Mehrheit der SVP-Parlamentarier nicht an Blocher, sondern an die offizielle Auswahl der Sozialdemokraten.
Unter den Bundesratsparteien von SP bis SVP hat sich eine Art Waffenstillstand etabliert: Wer die offiziellen Kandidierenden der anderen Parteien wählt, kann sich umgekehrt darauf verlassen, dass die eigenen Tickets ebenfalls respektiert werden.
Blocher: «Dieses Mal brauchen wir nicht irgendeinen Bundesrat»
Blocher verhalte sich wie ein Vater, der seinen Kindern Süsses verbiete, aber selber dauernd nasche, sagt ein SVPler. Denn der Alt-Bundesrat selbst war es, der seine Partei in dieser Frage prägte. Seit seiner Abwahl aus dem Bundesrat 2007 gibt es in der SVP nämlich eine Spezialklausel: SVPler, die ohne Nomination der Partei eine Wahl in den Bundesrat annehmen, werden von der Volkspartei ausgeschlossen – ausser eine Zweidrittelmehrheit der Fraktion spricht sich dagegen aus.
Blocher selbst sagt auf Anfrage, ihm gehe es um etwas anderes. Für ihn, der Politik immer noch als «Auftrag» versteht, ist die vorgeschobene Work-Life-Balance vieler Mitte-Politiker, die in den letzten Wochen wortreich auf eine Kandidatur verzichteten, eine Provokation.
«Die Absagereien der möglichen Mitte-Bundesratskandidaten in den letzten Wochen haben gezeigt, dass die Bundesratswahlen zu einem unwürdigen Karrierespiel verkommen sind», so Blocher. Das dürfe nicht sein. Ihm gehe es um die Ernsthaftigkeit der Bundesratswahl. «Denn dieses Mal brauchen wir nicht irgendeinen Bundesrat. Wir brauchen einen, der die schwierigste Aufgabe überhaupt übernehmen muss: die Armee wieder in Ordnung zu bringen.» Er habe sich als möglichen Kandidaten ins Spiel gebracht, weil man nicht einfach Forderungen aufstellen könne, ohne selbst einen Einsatz zu leisten.
Bloss: Auch in den SVP-Reihen scheint die Lust gering zu sein, das undankbare Verteidigungsdepartement zu übernehmen. Blochers angedrohte Kandidatur könnte aber durchaus einen erwünschten strategischen Effekt haben, heisst es: Im Vergleich zu ihm könnte Bauernpräsident Markus Ritter auf der linken Seite an Schrecken verlieren. Und das wiederum wäre ganz im Sinne der SVP.
Fehler gefunden?Jetzt melden.