Strom durch FotovoltaikBürger sollen bessere Preise für Solarstrom erkämpfen
Viele Häuser haben nur einen Teil des Dachs mit Fotovoltaik belegt. Solarexperten wollen das ändern – mithilfe der Bevölkerung.

Auf dem Dach der Turnhalle in der Baselbieter Gemeinde Allschwil hat es noch viel Platz. Auf circa einem Drittel der Fläche wird mit Sonne Strom für die Eigenversorgung des Schulhauses Gartenhof produziert. Allerdings könnte es mehr Strom sein – Strom, von dem Privathaushalte oder Gewerbler in der Umgebung profitieren könnten.
So erzählt es Andreas Appenzeller. Der 58-jährige gelernte Maschineningenieur arbeitet bei der Energiegenossenschaft Adev mit Sitz in Liestal und ist nebenamtlich als Dozent an der ETH Zürich tätig. Bei der Erstellung der Anlage war er dabei: «Leider fehlte die nötige Investitionssicherheit, um auch Strom fürs öffentliche Netz zu produzieren.»
Worum geht es? Besitzer von Fotovoltaikanlagen erhalten für Strom, den sie ins öffentliche Netz einspeisen, von ihrem Energieversorger Geld. Allerdings fehlen bei diesem sogenannten Rückliefertarif zwei entscheidende Komponenten, wie Appenzeller kritisiert. Zum einen sind die Tarife langfristig nicht stabil und variieren innerhalb der rund 600 Energieversorger im Land stark, letztes Jahr von weniger als 4 bis zu 23 Rappen pro Kilowattstunde. Neue Fotovoltaikanlagen haben indes Gestehungskosten von durchschnittlich 8 bis 10 Rappen. Mit anderen Worten: Es ist nicht garantiert, dass die Rechnung für den Anlagenbesitzer in jedem Fall aufgeht.

«Der Ausbau von Solarenergie wird nach wie vor massiv gehemmt», resümiert Walter Sachs, der den Fachverband der unabhängigen Energieerzeuger präsidiert. Viele Stromversorger senken den Vergütungstarif für den eingespeisten Strom im Lauf der Zeit, wie Sachs sagt. Die Anlagenbesitzer wüssten somit nicht, ob sie ihre Anlage im ursprünglich versprochenen Zeitraum amortisieren könnten – und ob überhaupt. «Damit wird das Vertrauen in die Solarenergie beschädigt.» Reine Produktionsanlagen ohne Eigenverbrauch würden sich so kaum finanzieren, so Sachs, viele Dächer würden daher nur teilbelegt.
Juristisch ist die Ausgangslage klar: Der Stromversorger muss sich bei der Höhe der Vergütung, die er dem Anlagenbesitzer zahlt, an den vermiedenen Kosten für die Beschaffung gleichwertiger Elektrizität orientieren und zudem die Gestehungskosten der jeweiligen Solaranlage berücksichtigen. Die Eidgenössische Elektrizitätskommission hat das unlängst aufgrund einer Beschwerde so bestätigt.
Bürgerinnen und Bürger sollen Druck machen
Der Fachverband hofft nun auf Unterstützung aus der Bevölkerung. Dazu hat er eine Art Werkzeugkasten erstellt, eine Sammlung von vorformulierten Mustervorstössen und Medienmitteilungen, die Interessierte einreichen respektive versenden können. Die Idee dahinter: Viele Stromversorger in der Schweiz gehören zumindest zur Hälfte der öffentlichen Hand, ihre Unternehmensstrategie ist damit politisch lenkbar. Politiker im Gemeindeparlament oder Bürgerinnen an der Gemeindeversammlung können entsprechende Anträge neu ohne grossen Aufwand stellen. Den Werkzeugkasten will der Fachverband demnächst der Öffentlichkeit präsentieren.
Der Fachverband appelliert aber auch an die nationale Politik. Diese solle sich überlegen, wie ein einheitlicher, langfristiger stabiler Rückliefertarif aussehen könnte. Doch Energieministerin Simonetta Sommaruga hat im Rahmen der geplanten Energiereform anderes vor. Die Vergütung soll sich am Marktpreis orientieren. So würden erneuerbare Anlagen auch von der Marktseite ins Gesamtsystem integriert, sagt Fabien Lüthi vom federführenden Bundesamt für Energie (BFE) in Sommarugas Departement. «Eine fixe Rückliefervergütung wäre keine Lösung.» Diese entspräche einem zusätzlichen Förderelement. Im Übrigen könnten die Anlagenbesitzer zusätzliche Erlöse mit dem ökologischen Mehrwert ihres verkauften Stroms generieren.
Das BFE argumentiert nicht zuletzt mit der ebenfalls geplanten vollständigen Strommarktöffnung. Dadurch ergäben sich für Produzenten erneuerbarer Energien Möglichkeiten, ihren Strom über Plattformen direkt an Konsumentinnen und Konsumenten zu verkaufen. Anlagenbetreiber seien damit nicht länger nur auf die Rückliefervergütung des lokalen Energieversorgers angewiesen.
Als Hauptfördersystem will Sommaruga weiter auf die Einmalvergütung von Anlagen setzen. Das reiche, um den Ausbau wie anvisiert von heute gegen 3 bis 2035 auf bis zu 14 Terawattstunden voranzubringen, sagen ihre Fachleute. Die Statistik sieht das BFE auf seiner Seite: Letztes Jahr habe die Installation von Fotovoltaikanlagen um 50 Prozent zugelegt, und heuer scheine der Zubau nach Auskunft von Installateuren sogar nochmals kräftiger geworden zu sein. Auch grosse Fotovoltaikanlagen will Sommaruga mit der Reform fördern – mit Einmalvergütungen, die über Auktionen vergeben werden. Damit, so ihre Fachleute, müssten sie nicht primär anhand ihres Eigenverbrauchs dimensioniert werden, vielmehr könne die gesamte Dachfläche möglichst optimal ausgenutzt werden.
«Einen Versuch ist es aber wert»
Für Sachs und Appenzeller sind das keine erfreulichen Signale. Hinzu kommt: Wie liesse sich ein fixer Rückliefertarif objektiv bestimmen? Es gibt viele Gründe, warum die Strompreise in der Schweiz beträchtlich schwanken: Wie ökologisch ist der Strommix, den der Energieversorger liefert? Wie viel stammt aus Eigenproduktion? Ist das Versorgungsgebiet alpin oder urban? Sachs vom Solarfachverband weiss um die Schwierigkeit. «Einen Versuch ist es aber wert.» Um die Energiewende zu schaffen, müsse der Ausbau der Solarenergie um den Faktor 4 bis 5 beschleunigt werden.
Was das Parlament mit der Forderung machen wird, ist unklar. Die Debatte über die Energiereform beginnt gerade erst. Ein Teil der Energiepolitiker warnt davor, sich jetzt schon in Details zu verlieren, gefragt sei vielmehr eine Neubeurteilung der Ausgangslage – nicht zuletzt mit Blick auf mögliche Stromengpässe in der Zukunft. «Was wir jetzt brauchen, ist eine Auslegeordnung über alle möglichen Technologien und deren Kostenfolgen», sagt Nationalrat Mike Egger (SVP). Dabei seien auch Massnahmen im Bereich der Fotovoltaik zu prüfen. Priorität, so Egger, habe eine unabhängige Stromversorgung des Landes.
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