Wechsel bei der KantonalbankBei der ZKB übernimmt zum ersten Mal ein Externer den Chefjob
Der Nachfolger von Martin Scholl heisst Urs Baumann. Mit ihm verpflichtet die grösste Schweizer Kantonalbank einen Nachhaltigkeitsexperten. Frauen bleiben damit in der Geschäftsleitung untervertreten.

Der Name des neuen Chefs der Zürcher Kantonalbank dürfte nur Insiderinnen und Insidern etwas sagen: Urs Baumann wird der Nachfolger von Martin Scholl an der ZKB-Spitze.
«Es ist eine besondere Wahl, denn Urs Baumann ist in der Geschichte der ZKB der erste Bankchef, der von aussen kommt», sagt ZKB-Präsident Jörg Müller-Ganz. «Baumann bringt den richtigen Mix mit», begründet der Bankratspräsident die Wahl. Er habe mehr als zwanzig Jahre Führungserfahrung in allen für die ZKB wichtigen Bereichen der Finanzbranche: also dem Zahlungsverkehr, bei den Finanzprodukten, der Vermögensverwaltung oder dem Asset Management – und dort besonders bei den nachhaltigen Anlagen.
Der 54-jährige Finanzmanager Baumann gehört damit ab sofort zur Banker-Elite der Schweiz. Denn die ZKB ist die viertgrösste Bank des Landes – und im Gegensatz zu den grossen Konkurrenten war sie in den letzten Jahren skandalfrei. Während UBS und CS immer wieder für teure Rechtsstreitigkeiten sorgten und die Bank Raiffeisen wegen zahlreicher Affären in den letzten Jahren fast die komplette Chefetage auswechseln musste, steigerte die ZKB den Gewinn stetig und ohne grosses Aufsehen.
Für etwas Aufregung sorgten höchstens das Auslandsengagement in London oder die strikte Negativzinspolitik.

Gelenkt wurde die ZKB in dieser Zeit vom meist unaufgeregten Martin Scholl. Er hat sich bei der ZKB vom «handwerklich nicht sonderlich begabten» Bankstift bis zum Chefposten hochgearbeitet. Im nächsten Jahr tritt er nach 40 Jahren beim Institut ab. Mit Baumann folgt auf ihn ein Manager von aussen.
Und zwar im sprichwörtlichen Sinne, denn der designierte ZKB-Chef wohnt noch nicht einmal im Kanton: Baumann lebt mit seiner Lebenspartnerin in Schwyz, für den neuen Job wird er aber in den Kanton Zürich ziehen.
Frauen bleiben unterrepräsentiert
Um den Topjob bei der ZKB zu besetzen, wurden 48 interne und externe Kandidatinnen und Kandidaten geprüft. Wie schon bei den letzten drei Vakanzen für Geschäftsleitungsmitglieder habe auch diesmal das Beratungsunternehmen Egon Zehnder die Chefsuche begleitet. Gefunden wurde Baumann.
Unter den Bewerberinnen und Bewerbern seien auch Frauen gewesen. «Am Schluss hat die Persönlichkeit gewonnen, die am besten unseren Anforderungen entspricht», so Müller-Ganz. «Wir werden immer die Person suchen, die den Anforderungen bezüglich bankfachlicher Erfahrung und Persönlichkeit am besten entspricht», erklärt Müller-Ganz den Fakt, dass wieder ein Mann Chef der ZKB wird.
Bei der kantonseigenen Bank bleiben Frauen damit in der Leitung stark unterrepräsentiert. Unter den acht Geschäftsleitungsmitgliedern befindet sich derzeit nur eine Frau. Bei den anderen grossen Banken sieht es nicht besser aus. Bei der UBS (2 von 12), der CS (2 von 13) und Raiffeisen Schweiz (1 von 7) sind die Frauen ebenfalls schlecht vertreten. Bei der Postfinance sind immerhin 3 von 7 Geschäftsleitungsmitgliedern weiblich.
Ein Salär von rund zwei Millionen
Urs Baumann soll sich zunächst einarbeiten, daher startet er am 1. Juni 2022 zunächst als einfaches Mitglied der Generaldirektion. Dabei wird er drei Monate lang Martin Scholl über die Schultern schauen können. Ab dem 1. September ist Baumann dann der neue Chef der ZKB. «Die Einstiegszeit gibt mir die Chance, die Bank kennen zu lernen», so Baumann. Auch bei früheren Wechseln auf der ZKB-Chefetage sei das so gehandhabt worden, und es habe sich bewährt.
Sein neuer Job ist gut bezahlt. Das Salär von Martin Scholl betrug zuletzt rund 2,2 Millionen Franken, Baumanns Vergütung wird ähnlich hoch ausfallen.
«Ich möchte als Garant dastehen, dass bei unseren Produkten Nachhaltigkeit drin ist, wenn wir das draufschreiben.»
«Mein Herz schlägt für Nachhaltigkeitsthemen, sie bieten für die ZKB eine grosse Chance», sagt Baumann. Doch sei es eine Gefahr für die ganze Finanzindustrie, falls die Bedeutung des Begriffs verschwimme. «Es darf bei der ZKB kein Greenwashing geben: Ich möchte als Garant dastehen, dass bei unseren Produkten Nachhaltigkeit drin ist, wenn wir das draufschreiben», verspricht er.
«Wir können aber auch ausserhalb der Kantonsgrenzen wachsen.»
Der Neue will ansonsten da weitermachen, wo der alte Chef aufgehört hat: «Es gibt keinen Bedarf für radikale Änderungen», so der designierte Bankchef: «Wir haben Ideen, wie wir die Bank weiterentwickeln können. Doch sind sie noch nicht spruchreif.» Nur so viel: Der Fokus der ZKB müsse im Kanton Zürich sein. «Wir können aber auch ausserhalb der Kantonsgrenzen wachsen», so Baumann. Das gelte vor allem für das Onlinegeschäft.
Anders sieht es bei den klassischen Niederlassungen aus: Die Zahl der Geschäftsstellen ist in den letzten Jahren von 90 auf knapp 60 gesunken. Wie viele es brauche, ist für Baumann offen. Er empfindet es aber als sinnvoll, dass die Bank aufgrund ihres Leistungsauftrags des Kantons eher mehr Geschäftsstellen unterhalten könne, als zwingend wirtschaftlich notwendig sei.
E-Bike statt Golfkurs
Baumann stieg nach dem Studium beim Beratungsunternehmen McKinsey ein und arbeitete dort am Rettungsplan für die Schweizerische Volksbank mit. Sie ging später in der Credit Suisse auf. Es folgten Stationen in London und Norwegen.
Vor sechs Jahren gründete er mit den bekannten Finanzmanagern Urs Wietlisbach, Alfred Gantner und dem ehemaligen UBS-Chef Peter Wuffli den Vermögensverwalter Blue Earth Capital. Die Firma ist auf nachhaltige Anlagen spezialisiert. Dort amtiert er noch bis Mai 2022 als Chef. Anteile an der Firma hat er aber nicht mehr, diese wurden gleich nach der Gründung in eine Stiftung übertragen.

«Er versteht das Thema Nachhaltigkeit von Grund auf und hat beim Aufbau von Blue Earth viel geleistet», so Alfred Gantner, der ebenfalls Mitbegründer der Beteiligungsfirma Partners Group ist. «Für die ZKB ist Urs Baumann sicher eine gute Wahl, auch wenn eine Grossbank eine komplexe Aufgabe ist.» Jemand mit seinem Leistungsausweis hätte in einer anderen Firma als Blue Earth ein Vielfaches verdienen können.
Wird er auch 15 Jahre auf dem Posten bleiben wie Martin Scholl? «Ich bin noch jung, erst 54. Da kann ich schon noch ein paar Jahre bleiben, aber die 15 Jahre von Martin Scholl werde ich nicht mehr schaffen.»
Im Gegensatz zu anderen Bankern sei er kein guter Golfer. Zum Ausgleich fahre er lieber Ski, sei oft in der Natur und treibe viel Sport.
Auch sei er kein verbissener Hobbyathlet. So sei es ihm am Anfang schwergefallen, mit seiner Lebenspartnerin – sie war früher Triathletin – auf dem Velo mitzuhalten. Dann habe er sich ein E-Bike gekauft: «Heute komme ich ihr aber schon besser nach.»
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