«Barbarella» lässt grüssen
Spurverbreiterung, Alcantarasitze, Smokey Eyes: Der GTS ist die schärfste Variante des Porsche 911 Carrera und mit 450 PS auch die sportlichste. Ein Fahrerlebnis, das ungeahnte Assoziationen weckt.

Erinnern Sie sich noch an «Barbarella» – jenen abstrus erotisierten Weltraumklamauk mit Jane Fonda aus dem geschichtsträchtigen Jahr 1968? Der Streifen kann einem in den Sinn kommen, wenn man im neuen Porsche Carrera 4 GTS Platz nimmt.
Keine Sorge, es soll hier nicht darum gehen, dem Motorsound, der Beschleunigung oder den Felgenausmassen eine sexuelle Dimension zuzuschreiben. Die Rede ist vielmehr vom Interieur. Polemisch gefragt: Gab es seit der Flokati-Landschaft, in der sich die leicht bekleidete Raumpilotin durch das dünne Drehbuch räkelte, je einen so anschmiegsamen Innenraum wie im GTS? Wo man hinschaut, einfach alles ist im Testwagen mit Alcantara überzogen. Natürlich sind die Fasern kurz und die Fahrer bekleidet, aber die flauschige Haptik macht das Erlebnis aus. Man fühlt sich im GTS wie in einer innen flauschigen Baumwolltrainingshose.
Alcantara, muss man wissen, ist kein Wildleder, wie oft fälschlich angenommen wird, sondern ein synthetisches Gewebe aus Polyester und Polyurethan. Genauigkeit ist wichtig, wenn man sich dem GTS annähert, denn die Unterschiede zum Rest der unterdessen auf 22 Modelle angewachsenen Angebotspalette des Porsche 911 sind marginal.
Schon ob man von einem eigenen Modell reden will, ist Definitionssache. Der GTS hat einen eigenen, aerodynamisch optimierten Bug, der mehr Abtrieb produziert. Und er ist optisch mit vielen schwarzen Applikationen auf cool getrimmt, trägt schwarz umrahmte Scheinwerfer wie Smokey Eyes. Auch hat jeder GTS den breiten Body und damit die breitere Spur des Carrera 4 – kombiniert mit zwei mittigen Endrohren. Die Karosserie ist ein sportliches Statement und doch zeitlos elegant. Das ist es, was den Elfer aus der Gruppe der Mitbewerber heraushebt, den Kult begründet – und letztlich auch den Wiederverkaufswert stärkt.
Technisch beschränkt sich die Eigenständigkeit des GTS auf einen neu entwickelten Turbo, der mehr Ladedruck produziert und die Leistung des 3-Liter-6-Zylinder-Boxermotors im Vergleich zu den Carrera-S-Modellen um 30 PS steigert. 450 PS hat der GTS damit unter der Haube, in allen fünf angebotenen Varianten – mit Heck- oder Allradantrieb, offen oder zu oder als Targa.
Von allen Modellen bringt unser Testwagen, der Carrera 4 GTS, die Kraft am direktesten auf die Strasse. 3,6 Sekunden vergehen bis Tempo 100. Bei der Höchstgeschwindigkeit dagegen hat der leichtere Hecktriebler die Nase vorn, mit 312 km/h. Alle Modelle, versichert Porsche, sollen die 300er-Marke knacken. Darüber hinaus ist der GTS vor allem eine Ausstattungsvariante. Das Sport-Chrono-Paket mit der Rennstarthilfe Launch Control ist ebenso ab Serie verbaut wie das aktive Sportfahrwerk mit der um zehn Millimeter abgesenkten Karosserie und die Sportabgasanlage. Aufpreispflichtig ist dagegen das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe PDK, das bei aller Sympathie für die serienmässige 7-Gang-Handschaltung vorbehaltlos zu empfehlen ist. Unbedingt ein Kreuzchen machen sollte der solvente Porsche-Kunde auch bei der Allradlenkung. Sie ist kein modernes Chichi, sondern macht bei einem ohnehin hervorragenden Handling noch einmal einen Unterschied. Davon konnten wir uns auf einer vom Hersteller organisierten Tour durch die Innerschweiz im direkten Vergleich, mit oder ohne Hinterachslenkung, überzeugen.
Sonst muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Das spontane Ansprechverhalten, der Durchzug, das fauchende Zwischengas beim Herunterschalten, der trotz Turbo immer noch kernig röhrende Klang, der durch den teilweisen Verzicht auf Dämmung fast ungefiltert an die Ohren dringt – der 911 GTS ist ein Auto, in dem es einem die Nackenhaare aufstellt, mit dem man aber auch ohne Gezicke bei Coop und Migros in die Tiefgarage fahren kann. Einziges Manko ist wohl der Preis von mindestens 151‘900 Franken. Unser Testwagen kostet bei einem Basispreis von 160‘900 Franken mit allen Extras eine runde Fünftelmillion.
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