Aufstand der Aktionäre
Die verweigerte Décharge war eine deftige Ohrfeige für die UBS-Chefs. Welchen Konzernen das auch schon passierte – und was die Folgen waren.

Das Traktandum 4 an der gestrigen GV machte die UBS-Chefs zu Recht nervös: Die Aktionäre verweigerten ihnen die Entlastung für das Geschäftsjahr 2018. Ein seltener Vorgang.
In den vergangenen 20 Jahren haben diese Schmach nur wenige Verwaltungsräte oder Geschäftsleitungen über sich ergehen lassen müssen. Swissair, OC Oerlikon, die Genfer SGS und die UBS sind die bekanntesten Fälle.
Swissair
Im Oktober 2001 groundete die Swissair. Die einstige Vorzeigefirma, ja der Stolz der Schweiz, lag am Boden. Gegen 19'000 Passagiere strandeten auf der ganzen Welt, weil die Flugzeuge nicht mehr abhoben. Doch bereits Ende April kam es zu einem anderen Vorgang, den man sich nicht vorstellen konnte bei einer Firma wie der Swissair. An der Generalversammlung erhielt nur gerade Mario Corti die Décharge. Er wurde erst kurz vorher zum Verwaltungsratspräsidenten gewählt, sollte die Swissair aus dem Sumpf ziehen. Was am Ende aber doch scheiterte.

Bereits im Vorfeld der Generalversammlung wurde klar: Die Entlastung des Verwaltungsrats wird kaum erteilt. Sogar der Bundesrat – der Bund hielt 3,1 Prozent der Aktien der damaligen SAir – sprach sich gegen eine Entlastung aus. Er stellte sich gegen die «Schwamm-drüber-Politik», wie es der Präsident der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Peter Siegenthaler, ausdrückte.
An der GV, die acht Stunden dauern und somit eine der längsten in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte werden sollte, wurde dann eine Sonderprüfung der Vorkommnisse angeordnet. Der Verwaltungsrat entschied daraufhin, auf die Entlastung zu verzichten. Die Chance, dass die Aktionäre diese erteilt hätten, war aber verschwindend gering.
Die Décharge wurde den damaligen Swissair-Chefs nie erteilt. Doch Konsequenzen haben sie nicht tragen müssen: Verantwortlichkeitsklagen liefen ins Leere.
UBS 2007
Erst im Jahr 2010 konnten die UBS-Aktionäre darüber abstimmen, ob den Bossen um Marcel Ospel die Entlastung für die Jahre 2007, 2008 und 2009 erteilt werden sollte.
Das Verdikt: Die Décharge für das Jahr 2007 verweigerten die Aktionäre, die anderen Jahre winkten sie durch. Unter tosendem Applaus der Aktionäre in der Basler St.-Jakobs-Halle wurden die alten Chefs abgemahnt. Der damalige CVP-Präsident Christophe Darbellay sprach danach von einem historischen Entscheid.
Das Krisenjahr 2007 und dabei vor allem Hypothekenkredite mit geringer Bonität für den US-Markt – sogenannte Subprime-Kredite – standen im Zentrum der Aktionärsrevolte gegen Ospel und Co.

Konsequenzen mussten die Verantwortlichen von damals nie tragen. Die Abstimmung zur Déchargen-Erteilung wurde in der Folge nie wiederholt. Mit einem Bericht liess die neue Führung aber abklären, ob es Sinn macht, die alten Chefs zur Rechenschaft zu ziehen. Das verneinte der Bericht, und die Sache war gegessen.
2013 hatten Stimmrechtsberater ebenfalls dazu aufgerufen, die Bankleitung nicht zu entlasten. Die Berater sprachen damals von Missmanagement und davon, dass die Risikokontrolle noch nicht gut genug sei. Das Vorhaben scheiterte deutlich: 89,6 Prozent der Aktionäre stimmten mit Ja und damit für die Führung unter Sergio Ermotti und Axel Weber.
OC Oerlikon
Wegen einer Übernahme gerieten beim Technologiekonzern OC Oerlikon im Jahr 2006 die Verwaltungsräte in den Fokus. Österreichische Investoren hatten die damals noch unter dem Namen Unaxis bekannte Firma übernommen. Die alten Verwaltungsräte traten danach zurück.
Die neue Führung wollte zuerst keinen Schlussstrich ziehen. Es gebe gewisse Transaktionen, die man nicht nachvollziehen könne, sagte VR-Präsident Georg Stumpf. Also liessen die neuen Chefs das Geschäftsgebaren der alten Riege untersuchen.
Ein Jahr später kam es dann doch noch zu einer Entlastung. Der Verwaltungsrat hatte damals ebenso entschieden, die ein Jahr vorher noch beanstandeten Vorgänge nicht weiter zu untersuchen.
SGS
Beim Genfer Warenprüfkonzern SGS kam es 1999 zur Verweigerung der Décharge. Damals stand aber nur gerade eine Person im Fokus: die Konzernchefin und Präsidentin des Verwaltungsrats, Elisabeth Salina Amorini. Ein Streit wegen eines Jahresverlustes von fast 290 Millionen Franken war der Hintergrund. Salina Amorini trat zurück, verblieb jedoch bis 2001 im Verwaltungsrat.
Der Nachfahrin der Gründerfamilie von SGS wurde ein Jahr später doch noch die Décharge erteilt. Sie habe ein schweres Jahr hinter sich, sagte sie damals. Doch der Streit war damit nicht vorbei.
2001 wurde sie als Verwaltungsrätin abgewählt, nachdem sie gegen den Konzern geklagt hatte. SGS schlitterte dann endgültig in eine Krise, Sergio Marchionne übernahm 2002 das Ruder. Er wurde später berühmt für seinen Manager-Tätigkeit bei Fiat. Marchionne starb im vergangenen Jahr, blieb bis kurz vor seinem Tod aber an der Spitze des Konzerns.
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