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Auf den Spuren von Ferdys Jugend

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2014 wurde ihm zu Ehren in Marthalen eine Eiche gepflanzt. Ferdy Kübler ist am 29. Dezember 2016 im Alter von 97 Jahren gestorben.
Im Radhof, einem Weiler zwischen Marthalen und Rheinau, wurde der dreifache Tour-de-Suisse-Sieger geboren.
Das 'Küblerhaus' im Underdorf: Vater und Mutter stehen rechts, Ferdy thront mit dem jüngsten Bruder auf dem Motorrad.    Johanna Bossart/zvg/Keystone/wue
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«Wir sind sehr stolz darauf, dass wir einen wie ihn hatten», sagt ­Inge Stutz. Die Vizepräsidentin des Gemeinderates von Marthalen lernte Ferdy Kübler allerdings erst zweieinhalb Jahre vor seinem Tod kennen. Das Heimatdorf musste lange auf seinen verlorenen Sohn warten, der als 15-Jähriger ausgezogen war, um im Radsport Geschichte zu schreiben, und als 95-Jähriger zurückkehrte.

Damals wurde das Weinland im Juni 2014 von der Tour de Suisse mit einer Zusatzschleife bedacht, und in Marthalen wurde zu ­Ehren von Ferdy Kübler eine Eiche gepflanzt. «Ich freue mich sehr darüber», sagte dieser sichtlich gerührt im roten Pullover.Dass der erfolgreiche Radrennfahrer und Jahrhundertsportler lange Zeit einen Bogen um sein Heimatdorf machte, erklärt der einheimische Historiker Reinhard Nägeli (Bild) mit Ferdy Küblers Beziehung zu seinem Vater. «Diese war sehr belastet und bestimmte auch das Verhältnis zu seinem Heimatdorf.» Ferdy Kübler habe eine üble Jugend gehabt, «mit der er baldmöglichst nichts mehr zu tun haben wollte».

In der 1961 erschienenen Biografie «Training, Kämpfe, grosse Siege» (Copress-Verlag München) blickt der Radweltmeister im Alter von 42 Jahren auf seine Jugend zurück und schreibt über seinen Vater: «Er war unsagbar streng zu uns.» Die Unerbittlichkeit sei vermutlich in seinem schweren Beruf begründet gewesen. «Als Oberwärter in einer Abteilung für hoffnungslose Fälle in der Nervenheilanstalt von Rhein­au hatte er es oft mit brutal um sich schlagenden Kranken zu tun.» Heute wisse er, so Ferdy Kübler 1961, «dass Vater es auf seine Art nur gut gemeint hat».

Schuhe nur im Winter

Alfred und Lina Kübler-Ehrens­perger lebten damals mit ihren fünf Kindern Alfred, Max, Ferdy, Lydia (die mit vier Jahren verstarb) und Paul in einem der drei einzeln stehenden Bauernhäuser zwischen Marthalen und Rhein­au im Weiler Radhof. «Hier ist Ferdy geboren und aufgewachsen», stellt Reinhard Nägeli klar. Ins «Küblerhaus» im Dorf, an welches später zur Hommage an die Radsportikone eine goldige Inschrift angebracht wurde, sei die Familie erst später gezogen.

«Wie Ferdy im Dorf treppauf, treppab fuhr, gefiel damals nicht allen»

Seine Kindheit verbrachte der junge Ferdy also im Erdgeschoss des mittleren Bauernhauses im Radhof. Dort hatte der Vater ein paar Zimmer gemietet. «Es handelte sich um eine recht kümmerliche Behausung», erinnert sich Ferdy später. Die drei Buben mussten sich ein Sofa und ein Bett teilen. In Letzterem seien ­jeweils zwei von ihnen wie Ölsardinen in der Schachtel gelegen. «Der Vater sparte eisern, er wollte sein Leben nicht unter unheilbar kranken, armen Wesen beschliessen.» Kartoffeln und Brot mussten reichen. Schuhe für die Kinder gab es nur im Winter.

1930, als Ferdy elf Jahre alt war, kaufte Alfred Kübler ein grosses Haus in Marthalen. Darin richtete er sich ein kleines Schuhgeschäft und eine Reparaturwerkstatt für Velos und Autos ein. Davon ist heute im Haus im «Underdorf» nichts mehr zu sehen.

Ferdys Leidenschaft für Velos entstand, als ein Arzt seiner Mutter riet, Ferdy solle mit Velofahren gegen sein Gelenkrheuma angehen. Vater Kübler war strikt dagegen. Doch Ferdy bastelte sich aus Fahrradschrott heimlich ein Velo. Damit machte er das Dorf unsicher und gewann manches Schülerrennen. «Wie er da im Dorf treppauf, treppab fuhr, gefiel damals nicht allen», sagt Historiker Nägeli. Und noch heute erzähle man sich, wie Ferdy Kübler als Jugendlicher einmal nach solch einer Velofahrt kopfvoran im Dorfbrunnen gelandet sei. «Heute sind die Marthaler stolz auf ihren Weltmeister.»

Das Velo, mit dem er 1951 den WM-Titel gewann, stand viele Jahre im Ortsmuseum von Marthalen. Doch leider sei es nicht mehr zurückgekommen, nachdem es für Fernsehaufnahmen gebraucht worden sei, bedauert Museumsleiterin Rosmarie Vol­len­weider.