Lesende fragen Peter SchneiderAllüren oder Bekanntheit – was macht eigentlich einen Star aus?
War früher wirklich mehr Lametta? Unser Kolumnist erklärt den vermeintlich schwindenden Glanz der Stars unserer Zeit.

Was macht eigentlich den Startenor oder den Starchirurgen aus? Sind es die Starallüren oder der Bekanntheitsgrad – oder wirklich nur die herausragenden Fähigkeiten? F.L.
Lieber Herr L.
«Früher war mehr Lametta» (Loriot); und auch Stars sind leider nicht mehr das, was sie mal waren. Glänzend, unerreichbar, berühmt (und nicht nur prominent), gesegnet mit einer einzigartigen Begabung, unverwechselbar, charismatisch.
Stars sind das Produkt einer nur begrenzt diversen und auch im Unterhaltungsbereich kanonisierten Kultur: Marlene Dietrich, Josephine Baker, Igor Caruso, Ingrid Bergman, Louis Armstrong, Cary Grant, Marilyn Monroe waren sicherlich Stars. Stars sind ein Produkt der Massenmedien; der Star klassischen Zuschnitts wurde allerdings auch zu deren Opfer.
Manchmal wird der Star auch konstruiert
Dem zeitlos erscheinenden Nimbus der früheren Stars war zweierlei geschuldet: die mediale (Omni-)Präsenz einerseits, die Überschaubarkeit der Medien andererseits. Die enge Bandbreite der Medien (Kino, Rundfunk, Schallplatte) fokussierte gewissermassen das Rampenlicht, in dem die Stars strahlen konnten. Mit der Erweiterung dieser Bandbreite, mit der Demokratisierung und Ent-Kanonisierung der Kultur erodierte der Star-Begriff. Der Titel der nun auch schon angestaubten Serie «Deutschland sucht den Superstar» kündet nicht von einer Wiederbelebung des Starkults, sondern ist ein Indiz für dessen Ableben. Wenn man einen Star erst suchen und dem gefundenen dann noch ein «Super» voranstellen muss, dann ist der Superstar kein Star, und es wird auch keiner aus ihm.
Wenn heute von Starchirurgen, Starautorinnen, Starzahnärztinnen und Starcoiffeuren die Rede ist, so handelt es sich bei den so Genannten durchaus um Menschen mit ausserordentlichen Fähigkeiten (und manchmal auch mit gewissen Starallüren); man merkt freilich diesen Star-Titulierungen aber vor allem das angestrengte Bemühen der Medien an, sich selbst eine Relevanz zu verleihen, die sie nicht haben.
Es gibt keinen Grund zum Kulturpessimismus; ein bisschen nostalgisch darf man trotzdem sein.
Wenn es ständig von überall her blinkt und funkelt, ist man halt in einem Swarovski-Shop (no offense!) und nicht zum Frühstück bei Tiffany's. Die Menschen schauspielern, singen, geigen, operieren, dirigieren heute gewiss nicht schlechter als früher, sondern sogar eher im Gegenteil.
Der Unterschied zwischen den heutigen prominenten Hochbegabten ihres jeweiligen Fachs und den alten Stars besteht darin, dass jene nicht mehr die Illusion eines Endes der Geschichte ihrer Künste und damit der eigenen Unsterblichkeit zu erwecken vermögen. Das ist nicht ihre Schuld, sondern ein Effekt der Mediengeschichte und der starken Segmentierung der Publika (lat: Publikümmer).
Es gibt somit keinen Grund zum Kulturpessimismus; ein bisschen nostalgisch darf man natürlich trotzdem sein.
Der Psychoanalytiker Peter Schneider beantwortet Fragen zur Philosophie des Alltagslebens. Senden Sie uns Ihre Fragen an gesellschaft@tamedia.ch.
Fehler gefunden?Jetzt melden.